„Frauen sind sozialer“

Soziale Ader bei Frauen
Soziale Ader bei Frauen
Frauen gelten in der Regel als „sozialer“ als Männer – dies wurde in vielen Studien untersucht und belegt. Dabei gilt, dass Frauen eher und mehr teilen würden oder etwas für andere Menschen tun würden, als Männer. Unklar war allerdings lange Zeit wie es zu den geschlechtsspezifischen Unterschieden kam und – bei jeder neuen Person – immer wieder kommt. Eine Forschergruppe hat nun die Auswirkungen des Dopamins auf das Gegensatzpaar Altruismus/Egoismus getestet und bei verschiedenen Personen die Dopaminzufuhr reduziert. Das Ergebnis war überraschend: Frauen sind nicht nur egoistischer geworden, sondern Männer gleichzeitig sozialer (Soutschek et al., 2017).

Es geht hier selbstverständlich um statistische Mittelwerte, die nichts über den Grad des Egoismus oder Altruismus bei einzelnen Personen – egal ob Mann oder Frau – aussagen.

Die Frage ist nun: Weshalb ist das so?

Es gibt Theorien, nach denen das zweite X-Chromosom maßgeblich dafür verantwortlich ist. Dies beruht auf einer Untersuchung von Frauen mit dem sogenannten Turner-Syndrom, also Frauen, denen das zweite X-Chromosom fehlt. Diesen falle es schwerer die Mimik des Gegenübers zu lesen (Lawrence et al, 2003). Eine weitere Theorie besagt, dass dieses Phänomen mit der Durchblutung des Gehirns zu tun hat, die sich in der Pubertät verändert. Zum Beginn der Pubertät verringert sich die Durchblutung bei beiden Geschlechtern, gegen Ende der Pubertät steigt die Durchblutung des Gehirns bei Frauen wieder leicht an, während sie bei Männern weiter absinkt (Satterthwaite et al., 2014).

Doch trotz aller biologischer und gentischer Faktoren wird oft davor gewarnt vorschnelle Schlüsse zu ziehen und die Biologie für diese statistische Häufung verantwortlich zu machen. Eine andere Studie verglich Männer und Frauen beim Bewältigen verschiedener Aufgaben. Davor wurde ihnen wahlweise mitgeteilt, dass Männer in diesen Aufgaben besser abschneiden oder Frauen dabei besser abschneiden würden. In der Studie haben Frauen, die davor erfuhren, dass Frauen generell schlechter abschneiden würden, tatsächlich deutlich schlechter abgeschnitten, als in den Gruppen, in denen die Information verbreitet wurde, dass Frauen diese Aufgaben in der Regel besser absolvieren können. Der gleiche Effekt war bei den Männern schwächer ausgeprägt. Interessant ist auch, dass die Hirnareale, die auch für die soziale Wahrnehmung und soziale Interaktion zuständig sind, bei Frauen deutlich früher aktiv waren (Pavlova, 2010 & 2010a).

Eine plausible Theorie ist auch, dass Frauen bereits in der Kindheit für soziale Handlungen eher positiv bestärkt werden als Männer. Auch die Lehrereinschätzung der Mädchen ist signifikant positiver als bei Buben, beispielsweise bei der Fähigkeit aufmerksam und konzentriert zu sein (Raile, 2012).

Es gibt zahlreiche mögliche Erklärungen für die statistische „sozialere Ader“ bei Frauen. Welche davon zutrifft – oder vielleicht treffen auch alle davon zu – wird wohl nicht restlos geklärt werden können. Wichtig ist jedoch sich stets im Kopf zu behalten, dass statistische Aussagen hinsichtlich der Gesamtbevölkerung eine gewisse Aussagekraft haben, jedoch über Sie – einen einzelnen Menschen – de facto nichts aussagen können. Das gilt selbstverständlich auch für alle anderen Bereiche, z.B. psychische Erkrankungen.

Quellen:

Lanwrence, K.; Kuntsi, J.; Coleman, M.; Campbell, R. & Skuse, D. (2003). Face and emotion recognition deficits in Turner syndrome: a possible role for X-linked genes in amygdala development. In Neuropsychology, 17, S. 39-49.

Raile, P. (2012). Die Aufmerksamkeit der Volksschulkinder: Lehrerbeobachtung und psychometrische Erfassung im Vergleich. Unveröffentlichte Bakkalaureatarbeit an der Sigmund-Freud-PrivatUniversität Wien.

Pavlova, M.; Wecker, M.; Krombholz, K. & Sokolov, A. (2010). Perception of intentions and actions. Gender stereotype susceptibility. In Brain Research, 1311, S. 81-85.

Pavlova, M.; Guerreschi, M.; Lutzenberger, W.; Sokolov, A. & Krägeloh-Mann, I. (2010a). Cortical response to social interaction is affected by gender. In NeuroImage, 50, S. 1327-1332.

Satterthwaite, T.; Shinohara, R.; Wolf, D.; Hopson, R.; Elliott, M.; Vandekar, S.; Ruparel, K.; Calkins, M.; Roalf, D.; Gennatas, E.; Jackson, C.; Erus, G.; Prabhakaran, K.; Davatzikos, C.; Detre, J.; Hakonarson, H.; Gur, R. & Gut, R. (2014). Impact of puberty on the evolution of cerebral perfusion during adolescence. In PNAS, 111, S. 8643-8648.

Soutschek, A.; Burke, C.; Beharelle, A.; Schreiber, R.; Weber, S.; Karipidis, I.; Velden, J.; Weber, B.; Haker, H.; Kalenscher, T. & Tobler, P. (2017). The dopaminergic reward system underpins gender differences in social preferences. In Nature Human Behaviour, 2017/June.