GRATIS???

Gratis
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In der Preispsychologie werden einige wichtige Faktoren für das erfolgreiche Verkaufen aufgelistet. Unter Anderem, dass 99 Cent billiger wirkt als 1,00€ und meistens nur die erste Zahl registriert bzw. gespeichert wird. Dass der niedrige Preis von Kernprodukten oder viele Schilder mit TOP-AKTION das gesamte Geschäft billiger erscheinen lassen, dass Rabatte von sogenannten Ankerpreisen (z.B. die unverbindliche Preisempfehlung) stärker wirken, als einfach nur prozentueller Rabatt-Wert angegeben wird oder der Besänftigungseffekt: Ein teures Produkt erhält ein kleines Geschenk „gratis“ dazu um es erträglicher zu machen. Aber nicht nur so, sondern auch mit dem direkten Gratiseffekt wird viel erreicht. Drei nehmen, zwei bezahlen … oder 15 Kekse für denselben Preis erhalten, für den es früher 12 Kekse gab … oder ein Glas geschenkt, wenn man eine Flasche hochprozentigen Alkohol kauft. Dadurch fühlt man sich (ohne, dass man es bewusst bemerkt) verpflichtet eine Gegenleistung zu erbringen. Doch warum ist das so? Etwas geschenkt zu bekommen – ohne Gegenleistung – ist doch schön, oder? Meistens jedoch nicht:

Flohmärkte haben längst das Internet erobert und auch hier gibt es eigene Rubriken für Gratis-Anzeigen im doppelten Sinn. Die Anzeige ist kostenlos und der Artikel, der angeboten wird, wird verschenkt. Zweimal gratis? Mitnichten! Die Plattform wurde nicht aus ureigensten altruistischen Gründen erstellt und keiner bezahlt Hunderttausende bis Millionen Euro für den Erhalt derartiger Webseiten wie Willhaben.at oder flohmarkt.at wenn die Person dadurch nicht einen gewissen Ausgleich erhält – oder sogar Gewinn. Die Plattformen finanzieren sich zumeist über Werbeeinnahmen. Dass der 0815-User kostenlos inserieren kann liegt an einer einfachen Rechnung: Kostenlos und nützlich -> viele Menschen nutzen das -> viele Menschen sehen Werbung -> hohe Werbeeinnahmen.
Und was bringt einer Person das inserieren eines alten Tisches, ein paar gelesener Bücher oder sonstigen Sachen? Sie los zu werden um Platz zu schaffen. Viele Artikel werden nicht einmal zu kleinsten Preisen verkauft. Und selbst wenn man einen Tisch für 10€ im Internet zur Selbstabholung anbietet, kommen dutzende Anfragen wie: „Letzte Preis?“ oder „Ich biete 2€ wenn du es mir schickst.“ Irgendwann wird das gute Stück möglicherweise für 5€ oder sogar 8€ verkauft, aber bis dahin kostet es zumindest Nerven und Zeit. Verschenken ist besser. Und der Käufer? Der darf die Reise antreten und den Transport organisieren. Statt die Entsorgung zu bezahlen, übernimmt die Kosten einer, der dadurch ein vermeintlich kostenloses Schnäppchen ergattert hat.

Wie sieht es bei Geschenken aus? Ein Freund schenkt mir eine Rolex. Kann ich ihm das nächste Mal eine Glückwunschkarte schenken? Ich würde mich wohl schlecht fühlen. Ein Geschenk erzeugt die Verpflichtung etwas Gleichwertiges zu retournieren. Oft zahlen wir etwas zurück ohne es zu merken oder aktiv daran beteiligt zu sein. Die Manner-Schnitten im Wahlkampf zielen darauf ab Stimmen zu erhalten. Der Gegenwert einer Packung Schnitten ist somit eine Wählerstimme. Der Gegenwert der Benützung diverser Programme wie Facebook und Co sind persönliche Daten. Wir tauschen unsere Daten gegen die Nutzung dieser Software und deren Entwicklungen aus. Und selbst bei den zahllosen kostenlosen Handyspielen im Internet zahlen wir indirekt. Dieses Spielemodell finanziert sich mit den 2-10% der Spieler, die Geld dafür ausgeben um beim Spiel erfolgreich zu sein – die sogenannten In-App-Käufe. Die erhalten dadurch mehr Spielspaß und ermöglichen gleichzeitig, dass sich die restlichen 90% ein kostenloses Spielvergnügen leisten können. Dabei werden von den Spieleherstellern oft Gratwanderungen unternommen. Der Kauf darf nicht zu sehr Bevorteilen, sonst sind die kostenlosen Spieler weg. Er darf aber auch nicht zu wenig bieten, sonst lohnt sich der Kauf nicht. Kostenlos?

Einen Bereich gibt es jedoch, der in den tiefsten Abgründen der Menschen enthalten ist, der sich um den Bereich des Kostenlosen dreht. Das Gefühl der Benachteiligung: Zu Ostern versteckte die Stadt Bochum 5000 Eier im Stadtpark – für die Kinder! Die meisten Eiern wurden jedoch lange vorher gefunden – von Erwachsenen, die mit Säcken und Taschen gekommen sind. Sie wollten verhindern, dass sie übergangen werden und waren der Überzeugung, dass ihnen die Eier auch zustanden. Und wer lässt Bademäntel in Luxushotels verschwinden? Nur jene, die meinen, dass es ihnen zustehen würde – egal wie viele Autos in deren Garagen stehen.

Quellen: Deutsches Institut für Preispsychologie; BrandEins, 19. Jahrgang, Heft 6 (Juni 2017); Lebenserfahrung

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