Erkenntnistheorie

Erkenntnistheorie

 

ErkenntnistheorieDie gesamte Erkenntnistheorie auf eine Seite zu bringen ist unmöglich. Zahllose umfangreiche Hauptwerke beschäftigen sich mit winzigen Ausschnitten der Erkenntnistheorie. Doch zumindest eine relativ einheitliche Fragestellung steht hinter all diesen Werken und Gedanken: Die Frage nach den Bedingungen von Erkenntnissen, Überzeugungen und nicht zuletzt Wissen. In letzterem Punkt findet sich die Schnittstelle zur Wissenschaftstheorie; konkreter in jenem Bereich, der sich mit der Erkenntnistheorie insoweit überlagert, als er sich mit der Wissensbildung im Rahmen wissenschaftlicher Theoriebildungen und Untersuchungen befasst. In vielen anderen Sprachen wird die Erkenntnistheorie zudem mit dem Wort Epistemologie beschrieben, das auf den griechischen Wörtern episteme (Wissenschaft) und logos (Lehre) basiert.

Die Epistemologie oder Erkenntnistheorie ist eine der ältesten philosophischen Fragestellungen und basiert auf der Frage woher wir sicher sein können, dass wir uns über irgendetwas überhaupt sicher sein können. Spätestens seit Descartes ist diese Frage brennender denn je, doch auch in der Antike wurde bereits implizit gefragt welcher Kenntnis wir uns sicher sein können… und weshalb wir uns da sicher sein können. Eine Anekdote hierzu stammt von der Zeit, als Ludwig Wittgenstein und Mitglieder des Wiener Kreises aufeinander trafen. Ein Philosoph soll dabei immer wieder gesagt haben, dass er sicher sei, dass vor ihm ein Baum steht. Er sei sich vollkommen sicher, dass das ein Baum ist. Auf die Frage von Passanten ob es ihm gut gehen würde, wurde bloß geantwortet: Ja, wir philosophieren nur.

Diese Szene zeigt anschaulich die Schwierigkeit der Erkenntnistheorie eine sichere Basis zu finden, auf der das Wissen ruhen kann. Jede „normale“ (sprich: Nicht-Philosophische) Person würde nun einwenden: Klar ist das ein Baum, du kannst ihn ja sehen, berühren, dagegen rennen und eine Beule holen oder abholzen und verheizen – nur dann ist es kein Baum mehr, sondern Brennholz. Das Problem liegt im Hinterfragen der Gewissheit der Wahrnehmungen, die uns selbstverständlich erscheinen, aber leicht getäuscht werden können. In jedem stärkeren Rausch, bei hohem Fieber, bei der Betrachtung eines Objekts unter der Wasseroberfläche und in unzähligen anderen Situationen werden die Wahrnehmungen getäuscht. Vor allem Menschen mit psychotischen Störungen kennen dieses Phänomen, da sie Stimmen hören, Objekte sehen, taktile Halluzinationen haben und dennoch glauben, dass dies real ist. Und wenn nun jemand einwendet, dass er aktuell nicht in einem Wasserglas sitzt, nüchtern ist, psychisch gesund und auch sonst keine Beeinträchtigung hat, so würde ich fragen: Wie kann sich die Person da so sicher sein? Viele Psychotiker glauben, dass sie gesund sind und die anderen Menschen krank sind. Wie können wir behaupten, dass der gesunde Mensch nicht ebenfalls ein Problem mit der Wahrnehmung hat? Und selbst wenn: Jeder Verkehrspsychologe und Verkehrspolizist kennt das Problem: Ein Unfall, zehn Zeugen, zehn Schilderungen von gänzlich unterschiedlichen Ereignissen obwohl jedeR glaubt genau das zu sagen, was er oder sie wahrgenommen hat.

Im Laufe der Geschichte haben sich zahllose erkenntnistheoretische Strömungen gebildet: Empirismus (Sinnesempfindungen sind das Maß der Erkenntnis der Außenwelt, logisches Denken ist irrelevant oder zumindest nachrangig), Rationalismus (Gegenpart – nur das Denken führt zu sicherer Erkenntnis, Wahrnehmungen sind irrelevant oder nachrangig), Idealismus (Ideen prägen die Wahrnehmungen, über die Außenwelt kann man nur in diesem Kontext etwas sagen), Realismus (geht davon aus, dass die Außenwelt erkennbar ist, so wie sie ist), Konstruktivismus (geht davon aus, dass das erkennende Subjekt die Außenwelt an das eigene Innere „anpasst“ und konstruiert) und viele mehr, beispielsweise der Strukturalismus, der kritischen Rationalismus, die evolutionäre Erkenntnistheorie, die genetische Epistemologie, etc.