Was ist „Krankheit“ und was ist „Gesundheit“?

Gesundheit oder Krankheit
Gesundheit oder Krankheit
Es gibt unzählige Definitionen für beide Begriffe: „Als Krankheit wird das Vorliegen von Symptomen und/oder Befunden bezeichnet, die als Abweichung von einem physiologischen Gleichgewicht oder einer Regelgröße (Norm) interpretiert werden können und die auf definierte Ursachen innerer oder äußerer Schädigungen zurückgeführt werden können.“ oder „Krankheit ist ein objektiv fassbarer, regelwidriger, anomaler körperlicher oder geistiger Zustand, der die Notwendigkeit einer Heilbehandlung erfordert und zur Arbeitsunfähigkeit führen kann.“ Für die Gesundheit: „Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen.“ oder „Gesundheit ist ein Zustand optimaler Leistungsfähigkeit eines Individuums, für die wirksame Erfüllung der Rollen und Aufgaben für die es sozialisiert worden ist.“ Die Gesundheit umfasst das vollkommene Wohlbefinden. Gibt es das überhaupt? Und Krankheit ist eine Normabweichung, die behandelt werden muss; doch was ist die Norm und was MUSS behandelt werden?

Einige Beispiele: 4% der 18-29-jährigen haben Bluthochdruck. Bei den über 65-jährigen sind es 65%. Die meisten Menschen über 80 erhalten blutdrucksenkende Medikamente. Wäre die Norm in diesem Fall nicht, dass alte Menschen einen höheren Blutdruck haben? Dann wäre doch eher eine ältere Person mit niedrigem Blutdruck abnorm und müsste behandelt werden. Auch die Grenzwerte für das optimale Körpergewicht haben sich verändert, respektive sind gesunken. Gleichzeitig ist das durchschnittliche Körpergewicht gestiegen – die Norm entfernt sich vom Normalen. Dasselbe Prinzip gilt auch für andere Werte, die „Gesundheit“ definieren, also die (ideale) Norm abbilden sollen.

Bei psychischen Krankheiten funktioniert das ebenso. Die enorme Zunahme an ADHS-Fällen liegt kaum daran, dass die Kinder heute viel kränker seien als früher. Vielmehr sind die Kriterien, nach denen ADHS diagnostiziert werden, heute andere als früher. Beim hierzulande üblichen Diagnosesystem ICD10 müssen eine Reihe von Kriterien erfüllt sein, die allesamt Bewertungen wie „oft“ oder „häufig“ beinhalten. Das lässt dem Diagnostiker viel Spielraum – was ist denn nun oft oder gelegentlich? Wieder eine Frage der Norm. Darüber hinaus gibt es beim bis vor wenigen Jahren gültigen amerikanischen Diagnosesystem DSM IV gelten ähnliche Kriterien, jedoch sind sie mit einem ODER verknüpft. Kurz gefasst: Wenn dies häufig ist ODER jenes häufig ist, dann besteht bereits ADHS. Unnötig zu erwähnen, dass es dort sehr viel mehr ADHS Fälle gibt, die behandelt werden müssen. Bei der Schizophrenie, die es in allen Kulturen und allen Epochen gab und gibt, kommt es hingegen mehr darauf an wie die „Krankheit“ bewertet wird. Als Besessenheit; als Gabe oder als Krankheit.

Wenn man jemanden trifft, der diese oder jene (psychische) Krankheit hat, dann ist es falsch ihn sofort in die Schublade „krank“ zu schieben. Die Krankheit wird zum Einen von der Kultur definiert – wo anders wäre er vielleicht nicht „krank“, sondern nur hilfsbedürftig oder ein Sonderling, der aber überall gerne gesehen wird. Zum Anderen werden die Diagnosekriterien laufend angepasst. Jemand, der gestern noch als gesund galt, könnte schon morgen offiziell krank sein. Wer heute einen hohen Blutdruck hat, wäre früher womöglich gesund gewesen – bei gleichen Werten.

Quellen: Blutdruck, Übergewicht, ADHS

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